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Der Geige auf der Spur – Forensische Infrarot und UV Aufnahmen zur Instrumenten Analyse
Autor: Leonhard Rank
Schon seit Mitte des 20. Jahrhunderts werden historische Kunstobjekte wie Streichinstrumente nicht nur im sichtbaren Licht, sondern auch in anderen Wellenlängenbereichen untersucht. Dies ist heute ein wichtiger Bestandteil einer umfassenden Analyse geworden, um das Instrument und seinen Zustand besser erfassen und interpretieren zu können. Die so gewonnenen Informationen können nicht nur bei der Zustandsbestimmung des Instrumentes hilfreich sein. Sie sind auch eine entscheidende Hilfe bei Restaurierungsarbeiten.
Die gebräuchlichste und bisher fast ausschließlich angewandte Lichtfrequenz ist die Untersuchung der durch ultraviolettes (UV) Licht induzierten Fluoreszenz. Ein geübter Betrachter kann den Originallack von Retuschen oder anderen hinzugefügten neueren Materialien unterscheiden. Es wird in der Regel nur die oberste Lackschicht in der Fluoreszenz sichtbar und die darunter liegenden Schichten werden verdeckt. Dieser Effekt ist sehr hilfreich bei Restaurierungen, bei denen z.B. Retuschen oder übermäßiger Schutzlack entfernt werden müssen.
Aber auch andere Untersuchungsmethoden konnten in den letzten Jahren erfolgreich getestet werden. Dazu zählt unter anderem die Betrachtung unter blauem Licht oder cyanfarbenem Licht, welche ganz besondere Eigenschaften des Lacks enthüllen. Prinzipiell kann die Kombination von mehreren Lichtspektren Hinweise auf den Zustand, den Aufbau der Lackschichtung (Grundlack, Farblack, Holzgrund) und somit manchmal sogar einer Bautradition liefern. Aufgrund des hohen Niveaus der Lackherstellung, welches einige zeitgenössische Geigenbauer erreicht haben, wird die Unterscheidung zwischen echt und unecht bzw. neu und alt weiterhin nur mit professioneller Erfahrung möglich sein. Die Verwendung verschiedener Lichtquellen erleichtert diese Aufgabe jedoch und eröffnet einen besseren und zuverlässigeren Blick auf die Geschichte eines Instruments.
Abgesehen von der Beschaffenheit der Lackschicht ist auch der Zustand des Holzes ein wichtiges Kriterium um den Zustand und Wert eines Instrumentes zu beurteilen. Beschädigungen wie Wurmschäden, Risse oder Futter in tieferliegenden Holzschichten können einen erheblichen Wertverlust darstellen und müssen unbedingt erkannt werden.
Bisher waren solche Untersuchungen (über das rein visuelle hinaus) nur mit einem CT-Scan möglich, bei dem Röntgenstrahlen das Instrument schichtweise durchdringen. Anschließend werden die Daten mit aufwändiger Messtechnik und hohem Rechenaufwand in ein 3D-Bild umgewandelt. Die CT-Untersuchung ist jedoch nicht nur aus Kostengründen, sondern auch wegen des logistischen Aufwands nachteilig. Hilfreich wäre eine alternative Untersuchungsmethode, die annähernd den gleichen Informationsgehalt liefert.
Eine Lösung wurde im infraroten Lichtspektrum gefunden, das z.B. in der Gemäldedokumentation nicht ganz unbekannt ist. Mit einer dafür umgebauten Kamera können auch Unterzeichnungen unter den obersten deckenden Farbschichten sichtbar gemacht werden (Beispiele metmuseum.org). Diese Untersuchung erfolgt jedoch grundsätzlich im Auflicht, d.h. mit Scheinwerfern, die auf das Objekt gerichtet sind. Bei Streichinstrumenten ergaben die Versuche weniger aussagekräftige Ergebnisse. Die „Spiegelchen“ im Holz bewirken eine starke Reflexion des Infrarotlichts und eine Überblendung der darunter liegenden Schichten. Es entsteht ein eher homogenes, helles und wenig aussagekräftiges Gesamtbild.
Dass die Lichtdurchlässigkeit des Holzes im infraroten Lichtbereich dennoch enorm hoch ist (wesentlich höher als im kurzwelligeren Frequenzbereich), bemerkt man erst, wenn man die Lichtquelle verschiebt, also hinter das Holz bzw. bei Streichinstrumenten am besten in den Korpus. Mit dieser leicht veränderten Einstellung ergeben sich ganz neue, ungeahnte Einblicke in den Zustand des Instrumentes, gewissermaßen wie bei einem Röntgenbild.
Die Struktur des Holzes ist durch die variierenden Dichteeigenschaften der Jahresringe, Flammen und der Markstahlen sehr deutlich zu erkennen. Innenliegende Bestandteile der Streichinstrumenten wie den Bassbalken, Innenklötze und Futterleisten sind als ein klarer Schatten wahrzunehmen.
Erfreulich ist vor allem, dass Schäden wie Risse, Brüche, Wurmfraß oder manchmal auch eingesetzte Holzfutter in der Regel sehr kontrastreich dargestellt werden. Natürlich hängt die Deutlichkeit von verschiedenen Faktoren ab. Eingesetzte Futter, die sehr gut eingepasst sind und kaum Leimreste aufweisen, können weniger gut erkannt werden. Dagegen sind Wurmschäden in der Regel kaum zu übersehen. Ein wirklich hohles Wurmloch erscheint sehr hell und ein noch mit Holzmehl oder anderen Substanzen (z.B. Leim oder Holzkitt) gefüllter Kanal sehr dunkel.
Unterm Strich kann die Untersuchung mit Infrarot-Durchlicht als leicht anwendbare Untersuchungsmethode für Geigensachverständige, Auktionshäuser und Forschungseinrichtungen empfohlen werden. Die aus den Aufnahmen gewonnenen Erkenntnisse sind umfangreich und bieten eine einfache Möglichkeit, sich Klarheit über den Zustand von Streichinstrumenten (oder anderen Instrumenten mit dünnwandigem Holzkorpus) zu verschaffen. Bei Streichinstrumenten mit sehr dunklem Lack wird durch die Verwendung von Infrarotbildern eine dendrochronologische Untersuchung zur Altersbestimmung des Holzes wesentlich vereinfacht, da es nicht notwendig ist, das Instrument zu öffnen, um ein klares Bild der Jahresringe zu erhalten.
Alle Fotos und Videos wurden von Leonhard Rank aufgenommen und bereitgestellt. Neben einer umgebauten Kamera sind hochqualitative Lampen essentiell für die Anfertigung von Fluoreszent- und Infrarot Aufnahmen. In Zusammenarbeit mit Benjamin Schilbach und der Firma Lumatec GmbH entstehen gerade 3 Spezial-Lampen für eine perfekte Ausleuchtung von Holzinstrumenten in unterschiedlichen Größen.
Weiterführende Links zu diesem Thema:
Geigenbau, Restauration und Fotografie
Lampen und
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