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Limit der Infrarot Empfindlichkeit für verschiedene Kamera Sensoren
Welche Kamera ist eigentlich die Beste für Infrarot? Ist das Modell X besser für IR geeignet ist als Modell Y? Durch langjährige Erfahrung lautetete die Antwort immer: “Es macht eigentlich keinen großen Unterschied”. Diese Bauchgefühl ist für die kreative IR Fotografie mehr als ausreichend und damit könnte der Artikel schon zu Ende sein. Aber für bestimmte Anwendungen, insbesondere für Elektrolumineszenzmessungen von Photovoltaik Modulen, kann die tatsächliche Empfindlichkeit am Limit der Kamerasensoren durchaus von Bedeutung sein. Die langjährig gehegte Vermutung kann nun durch ein paar solide Messungen diverser CMOS Sensoren gestützt werden. Die Firma SurfLabX aus Taufkirchen hat diverse Vollspektrum modifizierte Kameras von IRreCams in ihrem Labor vermessen und wir können uns die Ergebnisse genauer ansehen.
Eine kurze Zusammenfassung
Für alle Eiligen unter uns ganz kurz zusammen gefasst: Alle getesteten Vollspektrum Kameras waren in der Lage bis in den Bereich 1.000 nm bis 1.200 nm Infrarot Licht wahrzunehmen. Dabei machte es keinen wesentlichen Unterschied, ob ein Vollformat, APS-C oder MicroFourThirds Sensor verbaut ist, auch der Produzent der Sensoren (Canon, Panasonic, Sony) scheint keinen wesentlichen Einfluss auf das Ergebnis zu haben. Ebenfalls zeigt ein moderner Backside Iluminated Sensoren (BSI) keinen grundsätzlichen Vorteil zu regulären Frontside Iluminated Sensoren.
Über 1.200 nm war so gut wie keine Empfindlichkeit bei den Kameras zu messen, hier ist aller Wahrscheinlichkeit nach eine technische Grenze des Halbleiter Materials (Silizium) erreicht. Unterm Strich lässt sich festhalten, dass man mit allen Kameras und Sensoren der letzten Jahre ähnlich gute Ergebnisse im nahen Infrarot erzielen kann.
Ausschlaggebend für die Bildqualität ist vielmehr das Rauschverhalten und der Dynamikumfang der Kamera (diese Kennzahlen sind im sichtbaren Bereich durch diverse Tests verfügbar). Dinge wie Ergonomie, Autofokusgeschwindigkeit und vorhandener Objektivpark sollten viel mehr die entscheidenden Kriterien sein wenn es um die Frage geht, welche Kamera die beste für Infrarot ist. Denn diese Frage ist, wie auch schon im sichtbaren Bereich, in höchstem Maße subjektiv zu beantworten.
Versuchsaufbau und Qualitative Betrachtung
Und nun zur langen Version, erst einmal schauen wir uns an wie die Kameras getestet wurden. Über einen Monochromator wurde ein monochromatischer Lichtstrahl direkt auf den Sensor der Kameras geleitet. Es war jeweils kein Objektiv auf den Kameras montiert, die Strahlung konnte ungehindert auf den Kamerasensor treffen. Die Bilder wurden dann bei ISO 200 mit jeweils 1/30 s Belichtungszeit im RAW Format aufgenommen, um sie weiter zu verarbeiten. Hier eine Collage der einzelnen Bilder ohne zusätzliche Bearbeitung.
Auf der linken Seite ist eine Canon EOS RP zu sehen, bei der nur der erste Sperrfilter entfernt wurde (die Kamera entspricht in etwa einem Astro Umbau), auf der rechten Seite ist eine Vollspektrum Canon EOS RP zu sehen. Mit bloßem Auge lässt sich schon erkennen, dass erst durch einen Vollspektrum Umbau die Infrarot Strahlung über 700 nm auf dem Sensor ein Signal erzeugen kann. Allerdings ist auf den dunkleren Feldern ohne Bearbeitung recht wenig zu erkennen. Um die Sichtbarkeit für das Auge zu verbessern wurden die Helligkeiten aller Einzelaufnahmen auf ein einheitliches Niveau angeglichen.
Auf diesem Bild ist links die unbearbeitete Version der Vollspektrum RP zu sehen und rechts die aufgehellten Bilder der selben Datei. Wie zu erwarten war, sind deutlich mehr Informationen in den dunklen Bereichen der RAW Dateien vorhanden als es die unbearbeiteten Bilder vermuten lassen würden. Gleichzeitig wird aber auch das Rauschen mit der Bearbeitung aufgehellt und erhöht. In den letzten 3 Aufnahmen ist zu erkennen, wie das eigentliche Signal mehr und mehr im Rauschen untergeht und zu verschwinden droht.
Wenn wir nun die Canon EOS RP ohne den ersten Sperrfilter noch einmal mit der Vollspektrum RP vergleichen, ist sehr deutlich erkennbar, dass ohne eine Vollspektrum Modifikation praktisch nur noch Rauschen hindurch kommt. Für Infrarot Licht ist solch eine Kamera, bzw. eine nicht modifizierte Kamera absolut unbrauchbar. Ab und an sind noch einmal kleinere Signale zu erkennen (z.B. bei 910 – 940 nm), diese kommen aller Wahrscheinlichkeit daher, dass der noch verbaute Sperrfilter kleine “Lecks” im IR hat (kleine Schwankungen im Transmissionsverlauf sind durchaus normal bei Interferenzfiltern) .
Bevor wir uns alle Ergebnisse ansehen hier noch einmal eine Gegenüberstellung einer APS-C Kamera mit einer Vollformat Kamera:
Beide Kameras wurden auf Vollspektrum umgebaut und bei beiden Kameras handelt es sich um “moderne” BSI Sensoren. Rein qualitativ betrachtet ist aber kein großer Unterschied zwischen der Fujifilm X-T3 und der Sony A7R III zu erkennen. Aktuelle Sensorgenerationen haben, unabhängig von ihrer Größe, seid ein paar Jahren ein Leistungsplateau erreicht bei dem sie quasi gleichauf sind.
Ergebnisse im Detail
Die obere Grafik fasst alle Testergebnisse zusammen und zeigt die Signalstärke in Abhängigkeit von der gemessenen Wellenlänge. Je höher der Wert bei einer Wellenlänge, desto empfindlicher ist der Sensor. Die nicht modifizierte Canon EOS RP und die RP ohne den ersten Sperrfilter zeigen ganz deutlich keine Empfindlichkeit für Infrarot Strahlung über 700 nm, sie bewegen sich am ganz unteren Ende des Diagramms. Erst durch einen Infrarot Umbau kann die Strahlung ungehindert zum Sensor vordringen und hier detektiert werden. Alle Vollspektrum Kameras zeigen mehr oder weniger die selbe Charakteristik und liegen sehr dicht beieinander. Die getestete Panasonic G6 hatte einen 700 nm Langpass Filter installiert, hier deckt sich die Kurve mit den übrigen Vollspektrum Kameras ab ca. 750 nm.
Einen scheinbaren Ausreißer möchte ich gleich ansprechen: Die Vollspektrum Canon EOS RP scheint sichtbar schlechtere Ergebnisse zu liefern als alle anderen getesteten Kameras. Nach etwas Recherche hat sich im Nachhinein heraus gestellt, dass die Testparamter für diese Kamera ungünstig gewählt wurden. Aus irgendeinem Grund ist das Ausleserauschen bei der RP in den niedrigen ISO Bereichen (die Messungen fanden bei ISO 200 statt) deutlich höher als bei anderen Kameras (um den Faktor 3). Ab einem ISO Bereich von 3.200 nährt sich das Rauschen der RP aber wieder dem der anderen Kameras an und ist dann auf Augenhöhe. Wären die Messungen alle mit höherem ISO gemacht worden, würde die RP ziemlich sicher nicht aus dem Rahmen fallen und sich mit den anderen Ergebnissen decken.
Nun da wir schon über Rauschen reden, müssen wir uns auch das Rauschverhalten der einzelnen Sensoren ansehen, um die Kurven aus dem obigen Diagramm besser einordnen zu können. Wenn eine Kamera extrem viel rauschen würde, hätten wir im Endeffekt nur das Rauschen gemessen und nicht das wahre Signal den der Sensor uns liefert. Es muss also auch das Rauschverhalten der Kameras bei einer Beurteilung berücksichtigt werden.
Diese Grafik zeigt das Rauchverhalten (SNR) in Abhängikgiet von der gemessenen Wellenlänge. Ein höherer Wert bedeutet, dass die Kamera ein “saubereres” Signal liefert und weniger Rauschen in der Aufnahme enthalten ist. Wieder sind alle Kameras mehr oder weniger eng beieinander und zeigen ein ähnliches Bild. Ab 800 nm Wellenlänge werden die Ergebnisse zunehmend schlechter und gehen um 1.200 nm gegen eine Grenze – hier ist nur noch Rauschen zu beobachten.
Bei einem Vergleich zwischen Fujifilm X-A3 (Frontside Illuminated Sensor) und X-T3 (Backside Illuminated Sensor) ist weder ein nennenswerter Unterschied im Signalverhalten noch im Rauschverhalten erkennbar. Diese Art der Sensorfertigung hat also anscheinend keinen nennenswerten Einfluss auf die IR Empfindlichkeit.
Wenn man beide Diagramme in Betracht zieht, lässt sich feststellen, dass zumindest in dem Bereich, der für Elektrolumineszenz von PV Modulen interessant ist (950-1.150 nm), wirklich alle Kameras sehr eng beieinander liegen. Es fällt schwer einen Unterschied zu erkennen und eine Empfehlung in die eine oder andere Richtung auszusprechen.
Aber versuchen wir doch ruhig einmal einen Sieger zu küren. Wenn wir beide Diagramme betrachten schneidet die Sony A7R III sowohl im Signalverhalten als auch beim Rauschen mit am besten ab. Wenn wir eine “schlechteste” Kamera küren wollen, muss es anhand der vorliegenden Daten wohl die Canon EOS RP werden. Ich möchte noch einmal betonen, dass dies nur durch die Kombination der Messparameter in Kombination mit der internen Signalverarbeitung der Kamera so ist – bei höheren ISO Werten würde die RP ziemlich sicher auch auf Augenhöhe mit den anderen Kameras liegen (gerade für die Elektrolumineszenz Messung von Photovoltaik Modulen kommen hohe ISO Werte zum Einsatz).
Was bedeutet das nun aber in der Praxis, wenn wir uns den “Gewinner” und “Verlierer” einmal nebeneinander ansehen?
Sowohl in der unbearbeiteten Version, als auch in der aufgehellten Version der Testreihe sind zwar Unterschiede in den höheren Wellenlängen erkennbar, aber grundsätzlich kommt man mit beiden Kameras zu Ergebnissen, die in der Praxis nicht mehr soweit voneinander abweichen. Bei den höheren Wellenlängen rauschen beide Kameras, aber der Lichtkegel bleibt dennoch erkennbar.
Die Ergebnisse der anderen Kameras siedeln sich alle irgendwo dazwischen an, tendenziell näher an den Ergebnissen der Sony. In dieser Testreihe sind keine gestackten Sensoren enthalten, ebenfalls wäre ein Vergleich eines Monochrom Sensors interessant. Vielleicht ergibt sich in Zukunft die Möglichkeit dies noch einmal zu messen. Bis dahin möchte ich den Kreis wieder schließen zu meinem ursprünglichen Bauchgefühl: “Es macht eigentlich keinen großen Unterschied”.
Ich möchte mich noch einmal herzlich bei der Firma SurfLabX, insbesondere bei Herrn Karpen, für die Bereitstellung der Messergebnisse und den interessanten Austausch über die Kameratechnik bedanken.